Warum es sich lohnt nach dem Abitur ein Jahr auf (Welt-)Reise zu gehen

Reportage - Reportage vom 28.08.2016

Sri Lanka, Singapur, Australien, Indonesien, Neuseeland, Thailand, Malaysia und die Vereinigten Arabischen Emirate - das sind die Länder die ich in den vergangenen 11 Monaten bereist habe und in denen ich zum Teil auch gelebt und gearbeitet habe.

Für mich stand schon lange fest, dass ich nach dem Abitur nicht direkt mit dem Studium beginnen wollte. Dies liegt nicht etwa daran, dass ich keine Lust auf das das Studieren hätte - ganz im Gegenteil, ich habe mich bereits für einen Studiengang beworben und freue mich darauf mein Studium im Herbst diesen Jahres aufzunehmen.

Nein, mir ist bewusst geworden, dass man im Leben nicht oft die Möglichkeit bekommt so spontan und ohne Verpflichtungen zu reisen, wie es nach dem Abitur der Fall ist.

Frei, von niemandem abhängig und vor allem ein Jahr lang Zeit - wann sollte man diese Chance ein zweites Mal bekommen?

Genau deshalb habe ich im Folgenden 10 Gründe herausgeschrieben, warum es sich lohnt nach dem Abitur für eine längere Zeit auf Reisen zu gehen, und insbesondere an einem Work and Travel Programm teilzunehmen.

1.    Es ist der perfekte Zeitpunkt

Seien wir doch mal ehrlich, man bekommt im Leben nicht oft die Chance unbeschwert ein ganzes Jahr lang zu reisen wohin man will und wie es einem beliebt.

Nach der Schule ist meines Erachtens nach der perfekte Zeitpunkt hierfür: man trägt wenig Verantwortung, muss keine Rücksicht auf andere nehmen und ist frei.

Ein alternativer Zeitpunkt wäre nach dem Studium / der Ausbildung aber dann ist man schon älter und der Wille eigenes Geld zu verdienen wird immer größer.

Also ergreift die Gelegenheit und reist jetzt, wenn ihr es nicht tut werdet ihr es womöglich für den Rest eures Lebens bereuen.

2. Man wird selbstständiger

Wenn man alleine reist lernt man zwar immer wieder neue Leute kennen, und ist von diesen umgeben, im Ernstfall ist man aber trotzdem komplett auf sich alleine gestellt. Eltern und Bekannte sind hunderte wenn gar nicht tausende Kilometer entfernt und können einem nicht mal ebenso zur Hilfe eilen.

Das ist zwar schade hat aber dafür umso mehr positive Nebeneffekte: man ist für alles selbst verantwortlich und wird unglaublich schnell selbstständig. Dies reicht von der simplen Buchung der nächsten Unterkunft, bis hin zur Arbeitssuche beim Work and Travel und kann sogar so weit reichen, dass man eine Steuererklärung im Ausland ausfüllen muss (was mich in Australien einiges an Zeit und Arbeit gekostet hat). Im Endeffekt war es die Mühe sich mit dem fremden System vertraut zu machen aber allemal wert, da ich einige Wochen später eine beachtliche Summe vom Australischen Finanzamt überwiesen bekam.

3. Man lernt mit Geld umzugehen

So eine Reise ist zwar ein lustiges Unternehmen aber ohne das entsprechende Kapital und Geldmanagement ist diese wieder schneller vorbei als einem lieb ist. Deshalb lernt man relativ schnell mit seinem Geld zu haushalten und ein realistisches Budget zu erstellen. Da man zudem vor, oder wie ich auch während der Reise arbeiten geht, um diese zu finanzieren entwickelt man zudem ein tieferes Verständnis für die Arbeit und Zeit die hinter dem Geld stecken, und lernt diese zu wertschätzen. Dies ist eine unverzichtbare Erfahrung, die man später im Studium und Arbeitsleben nicht missen möchte.

4. Man trifft extrem viele Leute

Das Schöne am Reisen ist, dass man unglaublich viele neue Leute trifft und kennenlernt, und einem so nie langweilig wird. Während des letzten Jahres habe ich so extrem viel über andere Länder und Sitten gelernt, und Freunde aus vielen Teilen der Welt gefunden. Dass ich nun in vielen Ländern eine Couch zum Schlafen habe ist natürlich ein weiterer positiver Nebeneffekt und motiviert mich auch in Zukunft weiterzureisen.

5. Man wird offener

Alleine reisen heißt natürlich nicht, dass man die ganze Zeit alleine bleibt. In Hostels und unterwegs lernt man unglaublich schnell neue Leute kennen, die oft dieselben Reisepläne haben wie man selbst, und bevor man sich versieht reist man für ein oder zwei Wochen gemeinsam. Mir ist aufgefallen, dass man für viele Dinge grundsätzlich offener wird. Man verliert schnell die Scheu wildfremde Leute anzusprechen und oft führt dies zu genau den einmaligen Erinnerungen, die man sein Leben lang im Kopf behält.

So erinnere ich mich an Elizabeth, eine ältere Dame und Besitzerin eines Waschsalons in Australien, die uns prompt zu sich nach Hause einlud, als wir sie gefragt hatten, ob wir in ihrem Waschsalon unsere Handys laden könnten. Nach 6 Monaten Leben aus dem Auto war ein richtiges Bett und eine warme Dusche willkommener Luxus, und als ob das nicht genug wäre fertigte Elizabeth auch noch maßgeschneiderte Vorhänge für unseren Jeep an.

6. Man verbessert sein Englisch

Gerade wenn man alleine reist kommt man um die englische Sprache auf keinen Fall herum. Doch keine Angst, selbst wenn die eigenen Englischkenntnisse zu Beginn eher bescheiden sind, lernt man extrem schnell dazu und man ist ja schließlich nicht der einzige mit diesem Problem. Englisch ist die Sprache der Wahl, ob es nun darum geht sich im Hostel in mit anderen zu unterhalten oder womöglich eine Tour zu buchen, bzw. sogar Arbeit zu finden.

Das Schöne an der ganzen Sache ist, dass man nach ein paar Monaten in einem englischsprachigen Land richtig in die Sprache eintaucht, und dabei meiner Erfahrung nach wenn man sich anstrengt auch deutlich mehr als in einigen Jahren Sprachunterricht lernt.

Gerade das australische Englisch, welches voller lustiger Abkürzungen und Redewendungen steckt ist dabei einfach und mit Spaß zu lernen.

7. Man lernt mit einfachen Mitteln zu kochen

Ja, auch das ist ein netter Nebeneffekt des Reisens. Wenn man immer unterwegs ist, und nur ein begrenztes Budget zur Verfügung hat lernt man kreativ und mit einfachen Mitteln zu kochen. Da man irgendwann Nudeln mit Tomatensauce nicht mehr sehen kann muss man sich etwas anderes überlegen, und tauscht sich auch mit anderen Reisenden aus. Besonders praktisch ist dies natürlich auch für ein späteres Studium, wo Zeit und Geld des Öfteren begrenzt sind.

8. Man erlebt einzigartige Sachen…

… Sachen die man in Deutschland nie tun würde, denn geschweige daran denken. So war ich während meiner Arbeitszeit in Australien unter anderem Blaubeerpflücker, Gärtner für Luxusanwesen, Milchbauer (ja ich war tatsächlich dafür verantwortlich Kühe zu melken und Kälber zu füttern) oder Metallarbeiter. Bei letzterem Job habe ich die Infoscreens zusammengebaut, die in Einkaufszentren auf der ganzen Welt zu finden sind.

Aber nicht nur beim Arbeiten durfte ich viele neue Erfahrungen sammeln, meine Reisezeit war mindestens genauso einprägsam. So habe ich zum Beispiel in Indonesien die meiste Zeit als „homestay“ bei Einheimischen übernachtet. Auf diese Art und Weise konnte ich die einheimische Lebensweise direkt miterleben und viel in interessanten Gesprächen lernen. In Dubai habe ich zudem spontan bei einem Filipino auf der Couch übernachtet, nachdem ich kein günstiges Hotel/Hostel mehr finden konnte. Es stellte sich heraus, dass Ron, so sein Name, für uns sehr günstig eine Wüstensafari und Jetskis organisieren konnte, und wir so doppelt Glück hatten.

9. Man taucht in eine neue Kultur ein

Gerade wenn man längere Zeit an einem Ort bleibt und den Kontakt zu Einheimischen sucht ist es möglich einen tieferen Einblick in die Lebensweise und Kultur des jeweiligen Landes zu gewinnen.

So herrscht in Australien genau wie in Neuseeland eine gelassene „easy-going“ Mentalität, nach dem Motto „das wird schon“. Vieles wird deutlich entspannter als in Deutschland angepackt und Stress bei der Arbeit ist ein absolutes No-Go. Trotzdem funktioniert auf wundersame Weise fast alles perfekt, und es bleibt genügend Zeit das Leben (vorzugsweise am Strand) zu genießen.

Mir komplett fremd und dementsprechend interessant war für mich Weihnachten im Hochsommer. Zusammen mit ein paar Freunden hatten wir uns eine Wohnung in Sydney über die Feiertage gemietet und versuchten mit den imposanten BBQs der Nachbarn mitzuhalten (vergeblich wie jeder bestätigen kann der schon einmal Gast bei einem Aussie-BBQ war).

10. Man kann sein Leben lang davon erzählen

In einem Jahr des Reisens sammelt man unglaublich viele Erfahrungen, und erlebt Momente die einem ein Leben lang in Erinnerung bleiben. So werde ich wohl niemals vergessen, wie ich als ersten Job in Australien eine Woche lang auf einer Kirmes einen Dosenwerfstand leiten durfte, oder wie wir mitten im Australischen Outback mit unserem Auto nachts liegen geblieben sind, 60km von der nächsten Ortschaft entfernt und natürlich ohne Handyempfang.

Besonders eingeprägt hat sich bei mir zudem die tiefe Gastfreundschaft der Australier die wir im ganzen Land erleben durften. Während meiner 2 Monate als Helfer auf einer Ingwerfarm wohnte ich so zum Beispiel kostenlos im Haus der Farmer und war Teil der Familie.

Hinzu kommen natürlich noch all die Ausflüge (vom Surfen in Bali über mehrtägige Segel- und Wandertouren bis hin zu den entlegensten Wasserfällen in Thailand die man nur durch Klettern erreicht, die Liste ist endlos…) und die Leute mit denen man die Zeit verbracht hat, und durch die die Reise war was sie war - eine einmalige Erfahrung die man so in seinem Leben nur einmal bekommt.

In diesem Sinne kann ich jedem nur empfehlen nicht lange zu zögern und die Gelegenheit zu ergreifen für einen längeren Zeitraum nach dem Abitur zu reisen, es lohnt sich!

Frei nach dem französischen Schriftsteller Marcel Proust <b>„Eine Entdeckungsreise besteht nicht darin, nach neuen Landschaften zu suchen, sondern neue Augen zu bekommen“</b>.

 

Matthias Heinrich Morales, 19 (Abiturjahrgang 2015)

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